WILSON DER ANTIAUSSIE TEIL: 22

von Sonja Stammer

MÜDI DIE MIMOSE…ODER DOCH NICHT?

Wahrscheinlich denkt sich der ein oder andere, der diesen Blog seit nun mehr fast einem Jahr verfolgt, dass die Antwort auf diese Frage einfach sei – Mimose ist doch ganz klar!

Dieses Müdi stellt sich schon an, wenn sich eine Klette im Fell verfängt und ist dem Tode nahe, sobald er mal einen Kampf verliert, den er selbstverständlich vorher angefangen hat. Dann heißt es nämlich Mitleid bitte, ich bin ein armes, verletztes Müdimonster, das umgehend einen Notarzt benötigt und wenn nicht das, dann zumindest eine ordentliche Bauchkrauleinheit! Das würde ich selbst, ohne meine achtjährige Erfahrung als Halterin eines Müditierchens, auch so sagen, aber in Wirklichkeit ist eine einfache Antwort auch in dieser Hinsicht, gar nicht so einfach.

 

Es gibt genügend Situationen, in denen diese Einschätzung selbstverständlich zu zutreffen scheint. Man erinnere sich an den oben bereits erwähnten Beitrag: „Die Sache mit den Kletten“. Oder aber das Armageddon, als Herr Müdi unlängst von Sonjas Timbertier angerempelt wurde und dies mit einem Spitzenschrei von gefühlt 10 Minuten Länge kommentierte, diesen Vorfall nachfolgend allerdings nicht auf dem theatralischen Zusammenbruch im Wald (der selbstverständlich folgte) beruhen lies. Es schien zu seiner Verteidigung zwar sicher zu sein, dass er einen fiesen blauen Fleck davongetragen hatte, dennoch überlebte Wilson erstaunlicherweise, ohne nachhause getragen werden zu müssen. Derlei Vorfälle und vermeintlichen Verletzungen merkt sich das Müdi jedenfalls, erhöht den Schweregrad, und kommt immer dann darauf zurück, wenn es ihm in den Kram passt. Gerne während unmüdisch anstrengenden Kursstunden, in denen Junghunde ertragen oder bespielt werden müssen, wird dann der Kontakt zur Besitzerin, oder peinlicherweise auch zu ahnungslosen Teilnehmerinnen und Teilnehmern gesucht und unter Ächzen das Pfötchen gezeigt. Ganz nach dem Motto: Köpfchen schief legen, Kulleraugen machen und vielleicht fällt dann ja zumindest ein Trostleckerli aus der Tasche, oder aber – und ich bin mir sicher, dass ist sein eigentlicher Plan – irgendwer fällt drauf rein und trägt ihn zum Auto. Dann ist immer wichtig: Nicht beachten! Unvergessen bleibt mir das Wochenende seiner Kriegsverletzung in Form eines Lochs an der Brust, wegen welcher er mich glauben machen wollte, er könne weder essen noch schlafen und zurück bei Sonja, aufgeladen von der Liebe und Zuwendung der nächtlichen Krauleinheiten und Zusprüche sowie der fast gänzlich ausgebliebenen Bewegung, erstmal die doppelte Menge Nahrung verdrückte und sich dem Alltags-Rudel anschloss, als wäre nichts gewesen.

Gerade diese Situationen sind es dann, die mich an die Berechnung seines Verhaltens, glauben lässt und dazu führen, dass ich ja ach so wenig Mitleid mit ihm habe. Ein weiteres Beispiel:

Irgendwann einmal begann es dann in der Wohnung zu stinken. Wenn man Hundehalter ist, schiebt man sowas natürlich sofort aufs Tier. Hat er irgendwohin gemacht? Hat er den Müll ausgeräumt, seine Spuren verwischt und an einem unbekannten Ort einen Hort angelegt? Hat er einen Kadaver jedweder aus dem damals noch vorhandenen Garten reingeschleppt? Der beißende Geruch damals schien allerdings von Wilson direkt auszugehen. Es lag nahe, dass er sich etwas Neues ausgedacht und sich unbemerkt in einem besonders aromatischen Irgendwas gewälzt hatte. Also hieß es, den Hund unter die Dusche zu schleifen. Man muss wissen: In seinen jungen Jahren, trug der Herr noch Halstuch. Das sah wirklich bezaubernd aus, das Puschelfell in schwarz-weiß mit einem blauen Tüchlein um den Hals. Ganz der Bilderbuchhund, der er nie war.

Dieses nahm ich ihm vor dem anstehenden Duschbad ab und was ich fand, lies mich den Glauben an seine Empfindlichkeit verlieren: Einen handtellergroßen Hotspot, eitrig entzündet, bereits stinkend befand sich dort direkt am Hundehals und adhoc erlebte die Verwandlung des harten Kerls in mein Müdi-Mimöschen hautnah. Kurz vorher wurde noch das Moorhuhn bespielt, Leckerchen gefangen und im Garten gechillt. Nun aber war er dem Sterben nahe und lag hechelnd mit Vorwurfsblick in der Ecke, getreu dem Motto: Du schlechtes Frauchen, ich verwese hier vor deinen Augen und du merkst es nicht! Ich brauche einen Arzt, genügend Pflege und endlich die Liebe in Form von ausreichend Nahrung und Streichelei, die mir zusteht! Entstanden war die Wunde –da bin ich mir sicher—übrigens als er während einer Rauferei wenige Tage zuvor im Stacheldrahtzaun hängen blieb und dies nicht kommentierte, wahrscheinlich aus Coolnessgründen vor dem Kumpel.

Auch diese Wunde konnten wir heilen. Die Show beim Tierarzt war erwartungsgemäß beschämend. Aber ich habe ihm natürlich geglaubt, dass das wehgetan hat. Allerdings passte es ihm wohl nicht in den Kram, mir das vorher mal zu zeigen. Wer weiß warum? Vielleicht, weil er wusste, dass ich ihm ab diesem Tag das Halstuch verbieten würde und er sich dadurch eben mehr wie besagter Bilderbuchhund fühlen konnte? Die müdischen Wege sind unergründlich, man sollte nur wissen, dass man seinem Getue niemals trauen sollte, sonst werden die Nächste kurz, das Müdi kugelrund und die Tierarztrechnungen lang.