WILSON DER ANTIAUSSIE TEIL: 47

von Mira Berghöfer

HITZEWELLE

Die Hitzewelle hatte Deutschland im vergangenen Juli fest im Griff. Temperaturen von bis zu 42 Grad sorgten dafür, dass wir Mitteleuropäer langsam die Funktion einer Siesta zu verstehen begannen und nicht umhin kamen auch unseren Alltag an die Wetterbedingungen anzupassen! 

Und ausgerechnet in dieser Zeit hatten Müdi und ich das große Glück den gemeinsamen Urlaub in unserer winzigen Stadtwohnung ohne Garten und Balkon dafür mit einem Auto ohne Klimaanlage verbringen zu dürfen. Da musste der Ärger ja schon vorprogrammiert gewesen sein… Denn der ein oder andere litt ganz schön unter diesem Klima und auch den flexibelsten Menschen unter uns, fiel es nicht unbedingt leicht, beispielsweise die Sporteinheiten ins Morgengrauen zu verlegen und die warme Mittagsmahlzeit durch einen leichten Salat zu ersetzen. Wir sind eben auch Gewohnheitstiere. Dieser Sommer konnte sich also auch in den Ohren eines Müditieres nicht gerade nach Spaß anhören, möge man meinen. Aber was wäre dieses Leben schon, wenn man des Herrn Wilsons Wege ergründen könnte? Berechenbarkeit und Langeweile sind, glaube ich nämlich, die größten Feinde meines Tieres. Der aufmerksame „Müdi-der-Anti-Aussie“-Leser würde also eigentlich meinen, dass sich der kleine Prinz aufgrund der wetterbedingten Abänderung seines ohnehin schon ungewöhnlichen Urlaub-Alltags mit mir, nicht grade erfreut zeigen würde. Ja, dass der Herr gegebenenfalls sogar so weit gehen könnte seinen Unmut über den wetterbedingten Eingriff in die geliebte Routine in Form einer saftigen Hunde-Grippe, panikbedingter Aggression gegen Menschen, Tiere oder sich selbst und vielleicht sogar mit mysteriösem Gewichtsverlust Luft machen könnte... Berechtigte Hypothesen, die sich durch zahlreiche Argumente in Form realer Begebenheiten und Ereignisse der Vergangenheit stützen ließen!  Doch was dann passierte, war ungewöhnlich und gleichsam erschreckend! Nämlich schlicht und ergreifend GAR NICHTS! Man könnte sogar fast meinen, dass dieses Tier das Wetter und alles was es mit sich brachte genoss: 

Das frühe Aufstehen muss er im Allgemeinen sogar ganz angenehm empfunden haben. Denn, nachdem ich ihn zwar wie gewöhnlich persönlich davon überzeugen musste, dass der Tag angebrochen und es nun Zeit ist aufzustehen, hüpfte er fast fröhlich in seinen Maulkorb und trat (wobei diese Fakten nicht sicher belegt werden können) sogar mehrere Male mit aufrechtem Gang und wedelnder Rute die Morgenrunde an. Ein ganz neues Müditier offenbarte sich mir dort im kühlen (25 Grad) Morgengrauen. Vielleicht empfand er es auch als angenehm das Übel des Tages in Form von anstrengender Bewegen gleich zu Beginn des Tages hinter sich gebracht zu wissen und den Rest dann das zu tun, was ein jeder sich bei diesem Wetter wünschte: faulenzen, herumliegen und die Seele baumeln lassen. So ließ er es sich sogar nicht nehmen, wenn sich im elterlichen Garten mal die Gelegenheit bot und wir außerhalb der normalerweise nachtschlafenden Zeit unterwegs waren, die Mittagshitze für ein ausgiebiges Sonnenbad zu nutzen (ich erinnere kurz daran, es waren über 40 Grad und er trägt überwiegend schwarzes Fell!). Kurz vor dem Schlafengehen erfolgte dann zumeist noch ein Besuch an einem Wasserloch, wo er mit den eigentlichen Erzfeinden einer jeden Hunderunde plötzlich umhertollend das Leben genießen konnte. Eine surreale Situation, in der wir uns in diesem Sommer wiederfanden. 

Ich habe nun die Theorie, dass Wilson in Wahrheit vielleicht einfach am falschen Ort auf der Welt geboren wurde! Vielleicht missfällt ihm einfach unser eher nordeuropäisches Klima seines letzten Lebensjahrzehnts und er hat deswegen artspezifische Anpassungs- und Verhaltensstörungen. Eine eindeutige Erklärung sowohl für seine Auffälligkeiten als auch sein erhöhte Schlaf- und gemindertes Bewegungsbedürfnis bei Tage. Das ist einfach nicht seine Zeit! Die Liebe zum Wasser und sein diesbezüglicher Sinneswandel im Umgang mit Artgenossen ist ein weiteres Indiz. Er muss eigentlich am Wasser leben, auf einer grünen Insel im Meer, ein entschleunigtes Leben mit ausgedehnter Siesta führen, bei dem er die schöne Mittagssonne und lauen Sommernächten genießen kann…

Vielleicht ist es die Erklärung für all seine Probleme…oder er war einfach zu geschafft von der Hitze, um irgendeinen Unfug anzustellen. Wer weiß es schon, denn die Wege des Müdis sind und bleiben unergründlich.